Das LG Hamburg erklärte mit Urteil vom 19.07.2016 eine vom Deutschen Sparkassenverlag verwendete Haftungsausschlussklausel für unwirksam. In der gegenüber dem Bürgen für Verbundlichkeiten aus einem Leasingvertrag verwendeten Klausel wollte die Sparkasse die Haftung für eigenes Verschulden bei der Sicherheitenverwertung ausschließen.
Nach Ansicht des LG Hamburg benachteiligt die Klausel den Bürgen unangemessen, weil sie auch bei grob fahrlässigem und sogar vorsätzlichem und sittenwidrigem Verhalten der Sparkasse deren Haftung ausschließt (Az. 303 O 286/15). Die Klausel verstößt damit gegen den gesetzlichen Grundgedanken, wonach der Bürge der Sparkasse sämtliche Einreden entgegen halten darf, die auch dem Leasingnehmer zustehen:
„Der Beklagte kann seine aus § 242 BGB folgende Einrede der Klägerin entgegen halten. Selbst wenn die Klägerin nicht aus eigenem abgetretenen Recht, sondern lediglich im Auftrag der D. L. f. S. u. M. GmbH die Verwertung des Leasinggutes/des Inventars durchgeführt hätte. Der Beklagte darf der Klägerin gemäß § 770 Abs. 1 BGB sämtliche Einreden entgegenhalten, die auch dem Schuldner zustehen. Dazu gehört auch der dolo-petit-Einwand bei einer fehlerhaften Sicherheitenverwertung. Darüber hinaus besteht auch eine unmittelbar aus dem Bürgschaftsvertrag bestehende Nebenpflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten, bei der Verwertung von Sicherheiten unter angemessener Berücksichtigung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen, die für den Schuldner und den Bürgen wirtschaftlich günstigste Verwertungsform zu wählen.
Der Einwand der pflichtwidrigen Sicherheitenverwertung ist dem Beklagten nicht aufgrund Ziffer 3 Satz 4 des Bürgschaftsvertrages genommen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um Teil einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, denn der formularmäßige Bürgschaftsvertrag vom 25.02.2013 ist eine Urkunde, die ersichtlich für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen enthält. Der vorformulierte Vordruckcharakter folgt bereits aus dem Ausdruck „193835.000 (Fassung Juli 2033) – 0570341.32 (V3) Deutscher Sparkassenverlag 197926 Urheberrechtlich geschützt“. Individuelle Eintragungen finden sich im Wesentlichen nur in Bezug auf die Person des Bürgen, die zu verbürgende Hauptforderung und die Bürgschaftshöhe.
Die in den AGB der Klägerin getroffene Regelung, dass der Bürge aus der Art oder dem Zeitpunkt der Verwertung keine Rechte herleiten kann, umfasst dem Wortlaut nach auch einen Anspruchsausschluss des Bürgen bei grob fahrlässigem und sogar vorsätzlichem und sittenwidrigem Verhalten der Klägerin. Ein solch weitgehender Rechtsverlust in Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt eine unangemessene Benachteiligung des bürgenden Beklagten dar, da in fundamentaler Art und Weise gegen den in § 770 Abs. 1 BGB enthaltenen Grundgedanken verstoßen wird. Zudem ist ein Haftungsausschluss bei vorsätzlicher Schädigung für sich eine unangemessene Benachteiligung, weil dies letztlich auf einen „Blankoscheck“ für die Klägerin bei der Verwertung von Sicherheiten hinausliefe. Berechtigte wirtschaftliche Interessen des Bürgen finden in einem wichtigen Bereich der möglichen Haftung bei der verwendeten Klausel überhaupt keine Berücksichtigung mehr, was zu ihrer Unwirksamkeit führt.
Soweit die Klägerin einwendet, ihre habe es freigestanden, welche Sicherheit sie als erstes verwerte (Sicherungseigentum oder Bürgschaft), so ist dies nach den getroffenen Vereinbarungen ebenso richtig wie hier unerheblich. Allerdings hätte die Klägerin von vornherein den Beklagten noch vor Verwertung etwaigen Sicherungseigentums in Anspruch nehmen können. Das führt aber nicht dazu, dass sie bei einem anderen Vorgehen, welches seinerseits fehlerbehaftet ist, haftungsfrei bliebe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der fehlerhaften Verwertung der Leasinggegenstände/des Inventars diese Sicherheit nunmehr „verloren“ ist. Weder lässt sich die Veräußerung rückgängig machen noch steht diese Sicherheit nach einer Zahlung auf die Bürgschaft durch den Bürgen und nach Übergang der gesicherten Hauptforderung auf den Bürgen diesem zur wirtschaftlichen (Teil-)Sanierung zur Verfügung. Führt deshalb ein Verwertungsvorgang zu einem dauerhaften Verlust einer neben der Bürgschaft gestellten Sicherheit und kommt es bei dem Verwertungsvorgang – so wie hier – zu einer Pflichtverletzung zulasten des Hauptschuldners und damit auch des Bürgen, so ist der Gläubiger dem Hauptschuldner wie auch dem Bürgen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.“
Im zugrundeliegenden Fall war die Sparkasse auf das Angebot eines Dritten, das Leasinggut zu erwerben, nicht eingegangen und hatte das Leasinggut zu einem schlechteren Erlös als dem angebotenen Preis verwertet. Hierdurch hatte sie ihre Pflicht zur bestmöglichen Verwertung verletzt:
„Das Vorgehen der Klägerin im Zusammenhang mit der Veräußerung/Verwertung der Leasinggegenstände/des Inventars war hier pflichtwidrig, weil die Klägerin ohne sachliche Rechtfertigung ein deutliche bessere Verwertungsmöglichkeit nicht nur nicht genutzt, sondern vereitelt hat.
Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin bestehende Sicherheiten zeitnah und mit vertretbarem Aufwand verwerten darf und sich weder auf inhaltlich noch zeitlich ungewisse alternative Verwertungsmöglichkeit verweisen lassen muss. Ebenso ist es ihr grundsätzlich gestattet, nach dem Vorliegen eines Kaufangebots für gewisse Zeit nach besseren Angeboten Ausschau zu halten.
Selbst unter Berücksichtigung dieser weiten Grenzen bei einer Verwertung von Sicherheiten hat sich die Klägerin hier pflichtwidrige verhalten. Der Zeuge K. hat der Klägerin unstreitig angeboten, die später von der Verwerterin für 11.000 € netto veräußerten Gegenstände für 25.000 € netto plus Nutzungsvergütung für den Monat Februar 2014 in Höhe von 2.100 € zu erwerben. Dieses Angebot hat die Klägerin abgelehnt mit E-Mail vom 29.01.2014 (Anlage K42, „Ihr bisher unterbreitetes Angebot von 25.000 € ist daher nicht akzeptabel“.). Der Wortlaut der E-Mail ist so eindeutig eine Ablehnung des Angebots des Zeugen K., dass eine davon abweichende Auslegung schlicht abwegig ist. Der Angebotsablehnung steht nicht entgegen, dass die Klägerin weiterhin an Verhandlungen mit dem Zeugen K. mit dem Ziel einer Veräußerung der Leasinggegenstände interessiert war. Dies wird in der besagten E-Mail deutlich zum Ausdruck gebracht. Auf diese Ablehnung seines Angebots hat der Zeuge K. sodann mit E-Mail vom 07.02.2014 (Anlage K31) reagiert, seinen Standpunkt erneut dargelegt und sein Angebot über 25.000 € plus Nutzungsentschädigung erneuert. Dieses erneute Angebot hat die Klägerin wiederum abgelehnt. Dies trägt sie zwar nicht ausdrücklich vor. Die Ablehnung ergibt sich aber sowohl aus der von ihr als Anlage K21 eingereichten und in Bezug genommenen E-Mail als auch aus ihrem eigenen weiteren Sachvortrag. In der E-Mail des Zeugen K. vom 11.02.2014 (Anlage K21) heißt es: „nach dem gestrigen Telefonat und reiflicher Überlegung in einer fast schlaflosen Nacht möchte ich Ihnen hiermit mitteilen, dass ich von meinem bisherigen Angebot zum Kauf der Anlagegüter mit sofortiger Wirkung zurücktrete. Von der „Bank an meiner Seite“ erwarte ich Unterstützung. Ich habe bisher eher das Gefühl, von Ihnen etwas Unehrenhaftes zu verlangen. Die Anforderungen vom Tagesgeschäft sind enorm, da fehlt mir die Energie zum Feilschen und wir werden künftig eine Mietlösung nutzen. …“ Dem Eingangssatz sowie dem letzten Satz lässt sich zur Überzeugung des Gerichts entnehmen, dass die Klägerin am 10.02.2014 das wiederholte Angebot des Zeugen K. erneut abgelehnt hat und einen höheren Kaufpreis verlangt hat. Dies wird auch durch den weiteren Fortgang der auch nach dem 11.02.2014 nicht abgerissenen Kontakte zwischen der Klägerin und dem Zeugen K. deutlich. Weiterhin wurde über den Verkauf der Leasinggegenstände verhandelt, so u.a. in einem Gespräch am 12.02.2014. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ging es dabei aber nicht darum, einen Verkauf zu den vom Zeugen K. vormals angebotenen Konditionen zu vereinbaren, sondern einen Verkauf zu deutlich höheren Kaufpreisvorstellung der Klägerin (35.868 € netto). Zu diesen Bedingungen kam es nicht zu einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Zeugen K. (vgl. Schriftsatz vom 02.03.2016, Seite 5, Absatz 4, Bl. 50 d.A.).
Diese Ausführungen zeigen, dass die Klägerin seit dem 29.01.2014 mehrfach (mindestens zwei Mal) eine deutlich bessere Verwertungsmöglichkeit als schließlich verwirklicht abgelehnt hat. Die genauen Umstände der Angebotsablehnungen hat die Klägervertreterin dankenswerter Weise in ihrem Schriftsatz vom 14.06.2016 noch einmal dargestellt.“